Die dunkle Seite des schwarzen Gebräus

So sehr wir Kaffee lieben und uns ein Leben ohne das schwarze Gebräu nicht vorstellen können – nein, nicht vorstellen wollen – sollten wir uns nichts vormachen: Sein Erfolgszug zu einem wertvollsten Handelsgut der Welt, hat eine schwarze, dunkle Geschichte.

Der Kolonialismus und seine Spuren

Im 15. Jahrhundert begannen europäische Kolonialmächte, Gebiete in Übersee zu erkunden und zu erobern. Sie errichteten Kolonien in Afrika, Asien, Lateinamerika und anderen Teilen der Welt. Der Kaffee war eine der Ressourcen, die sie in diesen Gebieten vorfanden und die sie für ihren eigenen Nutzen ausbeuteten.

Die Kolonialmächte nutzten Arbeitskräfte aus den einheimischen Bevölkerungen, um Kaffeeplantagen anzulegen und Kaffee anzubauen. Besonders in afrikanischen Ländern wie Äthiopien, Kenia, Uganda und Tansania sowie in lateinamerikanischen Ländern wie Brasilien, Kolumbien und Costa Rica wurden große Kaffeeplantagen errichtet.

Die Kaffeeproduktion blieb dabei fest in europäischer Hand. Die Gewinne wurden von den Kolonialherren abgeschöpft, während die Einheimischen mehr oder weniger dazu gezwungen wurden, die eigentliche Arbeit zu den miesesten denkbaren Arbeitsbedingungen zu erledigen. Zu Hungerlöhnen, versteht sich.

Aber nicht nur die Bevölkerung wurde gnadenlos ausgebeutet, damit in Europa die Sucht nach belebendem Koffein befriedigt werden konnte. Auch die bestehende Kulturlandschaft wurde dem Kaffeeanbau geopfert. Denn um Platz für die Kaffeeplantagen zu schaffen, wurden große Flächen der Urwälder gerodet.

Der Kaffee verändert die alte Welt

Der Export der grünen Kaffeebohnen hat jedoch nicht nur in den Produktionsländern tiefe Spuren hinterlassen. Auch in den Kolonialstaaten veränderte sich mit der Entdeckung des Kaffeegenusses einiges. Natürlich nicht in Bezug auf das Landschaftsbild, sondern hinsichtlich des städtischen Lebens.

Es begann mit dem Entstehen von Kaffeehäusern in vielen Städten Europas. Erst wurden dort nur Kaffee gehandelt, dann gab es die Möglichkeit diesen nach erfolgtem Handel zu konsumieren und schließlich entwickelte sich dort das, was wir heute als Kaffeehauskultur kennen.

In diesen Kaffeehäusern traf sich die Boheme und politische Visionäre und Wirrköpfe, welche vor einer Tasse Kaffee, Revolutionen und Umstürze planten. So ist es nicht erstaunlich, dass die Kaffeehauskultur mehr und mehr auch auf die übrigen Lebensbereiche Einfluss gewann.

Falsche Bilder prägen die Sicht auf unsere Welt

Kaffee wurde immer beliebter und damit zu einem großen Geschäft. Vermarktet wurde die Bohne mit Bildern und Symbolen, welche die heile Welt des Kolonialismus zeigten, vermarkten. Dazu gehörten – ähnlich wie heute Bauernhöfe in Kinderbüchern gezeichnet werden – Bilder und Figuren von glücklichen, fröhlichen Kaffeepflückern und Plantagenanbauern.

Viele von uns sind mit diesen Darstellungen aufgewachsen, welche unsere Vorstellungen von Afrikanern und Südamerikanern – inklusive der rassistischen Botschaften, die dahinter stehen – stark mitgeprägt haben. Mit der Realität hatten diese Bilder und Figuren natürlich ebenso wenig zu tun, wie die Vorstellung von glücklichen Schweinen und Kühen, welche uns Kinderbücher vermitteln.

Die verzerrte Darstellung von glücklichen Negern, Mohren und schläfrigen Mexikanern löst heute Befremden und Unverständnis aus. Es ist inzwischen undenkbar, dass man mit solchen Bildern und Symbolen noch Werbung macht. Gottseidank muss man wohl sagen.

Nichtsdestotrotz sind diese Darstellungen ein Teil der Geschichte. Sie sind ein Zeugnis eines (glücklicherweise) überwundenen Zeitgeistes. Wobei, verschwunden ist der Geist dieser Periode bis heute nicht ganz. Nicht einmal annähernd.

Denn wir dürfen uns nichts vormachen: Wir mögen uns für aufgeklärt, liberal oder modern halten, aber die Bilder aus vergangenen Tagen schlummern irgendwo in den Untiefen unseres Bewusstseins und prägen damit die Sicht auf die Dinge. Es ist deshalb ganz gut, wenn wir uns um Aufklärung und Richtigstellung bemühen.

Die Sache mit dem Ministerium für Wahrheit

Aber das Austilgen der Geschichte, wie sie etwa in George Orwells Roman „1984“ das Ministerium für Wahrheit betrieb, kann unmöglich der Weisheit letzter Schluss sein. Denn wie soll man die Welt verstehen, wenn wir die Zusammenhänge, den Kontext nicht kennen und verstehen?

Die Verkaufsräume des Kaffee-Kontors in Friedrichstadt wirkt auf die meisten Besucher wie ein Museum. Ich spreche hier ganz bewusst von „Besucher“ und nicht „Kunden“, denn wir werden Tag für Tag von Unmengen an Menschen besucht, welche nicht in erster Linie daran interessiert sind, Kaffee zu kaufen. Sie betrachten den Laden vielmehr, wie in vielen Reiseberichten, Zeitungsartikeln oder Reiseführern beschrieben, als echte Sehenswürdigkeit.

In unserem „Showroom“ finden sie tatsächlich auch alles, was sie erwarten: Viele Ausstellungstücke aus einer anderen Zeit. Dinge, welche man entweder noch nie gesehen hat oder gerade noch kennt. Alltagsgegenstände, welche in der Vergangenheit zum Alltag gehörten, aber heute Raritäten darstellen.

Nicht Weniges davon ist mit Symbolen von oben beschriebener Sichtweise geschmückt oder stellt solches in eindeutiger Weise dar: Fröhliche Schwarze, glückliche Sklaven… Sie wissen schon.

Frederick und Piggeldy bleiben uns erhalten

Ich habe nur kurz darüber nachgedacht, ob ich nach der Übernahme des Kaffee-Kontors auf solche Darstellungen verzichten und die entsprechenden Dosen, Schilder, Plakate und Figuren „canceln“ sollte, um niemanden vor den Kopf zu stoßen. Natürlich habe ich mich dagegen entschieden. Die Argumentation ist einfach:

Wir verbessern die Situation von Schweinen nicht, indem wir Kinderbücher aus dem Regal oder „Frederick und Piggeldy“ von der Mattscheibe verbannen. Wenn wir Schweinen helfen wollen, müssen wir aufhören Schweinefleisch zu essen. Zumindest sollten wir extrem hohe Anforderungen an deren Haltung stellen.

Genau so ist es mit dem Kaffee. Wir können an der Vergangenheit nichts ändern, indem wir die Geschichte quasi umschreiben. Wir müssen den heute lebenden Menschen die Hand reichen und sie so behandeln, wie wir selber behandelt werden möchten.

Wir können nicht ernsthaft behaupten, dass wir vom Kaffee-Kontor Friedrichstadt frei von Vorurteilen wären. Was wir jedoch mit Sicherheit von uns sagen können, dass wir bei uns keinen Unterschied machen zwischen Geschlecht, Hautfarbe, Religion oder sexueller Ausrichtung. Wir lieben Menschen.

Missstände verschwinden nicht ohne Zutun

Das Einzige, was wir von unserer Seite her tun können, um den Menschen in den Ursprungsländern unserer Kaffeeprodukte einen Dienst zu erweisen, ist einen Beitrag zu leisten, dass Missstände in Bezug auf Behandlung und Bezahlung beseitigt werden.

Auch hier geht das nur über das Kaufverhalten.

Um unseren eigenen Ansprüchen (ein Stück weit) gerecht zu werden, sind wir dabei eine neue Produktlinie zu lancieren, in der ausschließlich Kaffee zu finden sein wird, welcher entweder direkt dafür sorgt, dass die Beschäftigten der Kaffeeplantagen fair bezahlt und behandelt werden oder durch andere Maßnahmen sichergestellt ist, dass die Einheimischen, die Natur und Umwelt davon direkt profitieren.

Lassen Sie sich überraschen, wenn wir Ihnen hier Ende Juni 2023 die rote Linie vorstellen werden.

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